Die UN-Klimakonferenz und Philanthropie in der internationalen Klimapolitik

Dezember 2022

Vom 6. – 18. November 2022 fand die Weltklimakonferenz COP27 in Sharm el Sheikh statt. Die Robert Bosch Stiftung war zur Unterstützung ihrer Partner:innen vor Ort. Ottilie Bälz, Bereichsleiterin Globale Fragen und verantwortlich für das Thema „Klimawandel“, berichtet über ihre Eindrücke und die Arbeit der Stiftung im Thema.

Ein Gespräch mit Ottilie Bälz

RBSG und Klimawandel
Ali Moctar / Afroto

Henry Alt-Haaker:  Als Vertreterin der Robert Bosch Stiftung warst Du im November auf der COP27. In der öffentlichen Debatte werden die Ergebnisse gemischt bewertet - kein Erfolg bei der Einigung auf neue Richtwerte und Einsparungsgrößen, aber immerhin Fortschritte bei der Anerkennung von „Verlust und Schäden“. Wie schätzt Du die Ergebnisse der COP27 ein?

Ottilie Bälz: Positiv ist, dass das Thema „Verlust und Schäden“ nach 30 Jahren endlich Eingang in die offiziellen Klimaverhandlungen gefunden hat, und auch, dass eine Vereinbarung zur Einrichtung eines Fonds getroffen wurde, der besonders vulnerable Länder für durch den Klimawandel verursachte Katastrophen entschädigen soll. Da gibt es noch viele Details zu klären, aber das Bekenntnis von industrialisierten Ländern, hier Verantwortung zu übernehmen, ist ein großer Durchbruch. Auf der anderen Seite sind bei anderen wichtigen Themen keine Fortschritte erzielt worden. Das 1,5 Grad Ziel wurde zwar noch nicht aufgegeben, aber es wurden keine konkreten, verbindliche Vereinbarungen getroffen, die uns diesem Ziel näherbringen würden. Insbesondere beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern hält man weiter am Kohleausstieg fest, was schon bei der COP26 in Glasgow entschieden wurde, aber Öl und Gas wurden nicht in die Abschlusserklärung aufgenommen. Und es wurden keine Fortschritte in der Umsetzung der Finanzierung von Adaptationsmaßnahmen erzielt. Der Fonds, der dafür eingerichtet wurde, ist bis heute unterfinanziert.
 

Was war die Rolle der Robert Bosch Stiftung bei der COP27, und welchen Beitrag hat die Stiftung durch ihre Teilnahme geleistet?  

Die Stiftung hatte Beobachterstatus bei der COP27 und hat sich vor allem im zivilgesellschaftlichen Begleitprogramm engagiert. Eines unserer Anliegen war es, unterrepräsentierten Gruppen wie etwa jungen Menschen, Frauen oder auch Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen und Städten Zugang zu einer aktiven Teilnahme an der Konferenz zu verschaffen. Konkret haben wir Reisekosten für rund 50 Partner:innen von Organisationen aus überwiegend afrikanischen Ländern übernommen, die bei verschiedenen Veranstaltungen auf der Konferenz aufgetreten sind und ihre Perspektive einbringen konnten. Ein Beispiel ist das Youth Negotiators Program: Es unterstützt Jugendliche dabei, in die staatlichen Delegationen ihrer Länder aufgenommen zu werden und als Vertreter:innen der jungen Generation in den offiziellen Verhandlungen mitzureden.

Ein weiteres Ziel war es, die Themen Landnutzung, Landwirtschaft und Ernährung stärker im Kontext der COP zu verankern. Erstmalig hat ein eigener Tag zum Thema stattgefunden. Hier werden wir auch weiterhin zivilgesellschaftliche Akteure, insbesondere aus Subsahara- Afrika, darin unterstützen, gemeinsame Haltungen zu entwickeln und diese in den Verhandlungsprozess einzubringen.

Außerdem arbeiten wir mit Partner:innen daran, das Thema klimabedingte Migration auf die Agenda politischer Debatten und der Verhandlungen im Klimaschutzbereich zu setzen. Das Global Centre for Climate Mobility war mit einem eigenen Climate Mobility Pavillon vertreten. Dort gab es auch zahlreiche Veranstaltungen zum Thema. Ein besonderer Erfolg ist, dass Migration als eine Form der Anpassung an Klimawandelfolgen im Text der Abschlusserklärung unter der Rubrik „Verlust und Schäden“ verankert worden ist.

Zusätzlich wollen wir auch die Diskussion zum Thema Klimagerechtigkeit aus einer philanthropischen Perspektive stärken. Wir konnten auf der COP am Beispiel des Climate Justice Resilience Fund Erfahrungen teilen, wie eine lokale Förderung zum Thema aussehen kann. Insgesamt kann unser Beitrag auf einer solchen UN-Konferenz immer nur klein sein, aber trotzdem konnten wir mit unseren starken Partner:innen dort viel erreichen.
 

Die COP27 ist ein prominenter und sichtbarer Teil der internationalen Anstrengungen, die Folgen des Klimawandels zu adressieren. Sie ist aber nur ein Baustein des komplexen Gesamtbildes unserer Aktivitäten. Wenn wir auf das Portfolio der Stiftung im Bereich Klimawandel schauen, wo legen wir regional, thematisch, oder in Bezug auf Zielgruppen, unser Hauptaugenmerk?

Grundsätzlich liegt unser Fokus auf dem Zusammenhang von Klimawandel und Landnutzung. Wir verfolgen dabei einen holistischen Ansatz: Wir wollen das Klima schützen und verhindern, dass es weitere Biodiversitätsverluste gibt. Zugleich stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt. Im Sinne der Klimagerechtigkeit unterstützen wir insbesondere diejenigen, die am meisten unter den Folgen der Klimakrise leiden, und wollen bestehende Ungleichheiten minimieren. Auf der anderen Seite geht es auch um eine gerecht gestaltete Transformation, die zur Eindämmung der Klimakrise notwendig ist, also eine „just transition“.

Regional setzen wir zwei Schwerpunkte:  Zum einen schauen wir auf Europas Transformationsagenda und darauf, welchen Beitrag die Zivilgesellschaft zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, die bis 2027 ansteht, leisten kann. Politische Rahmenbedingungen sollten so gesetzt werden, dass die Landnutzung in der EU regenerativ und klimapositiv gestaltet werden kann. Zugleich muss Europa seiner Verantwortung gegenüber anderen Teilen der Welt nachkommen, denn unsere Landwirtschaft darf nicht auf Kosten einer externalisierten Landnutzung in anderen Regionen der Welt gehen.

Zum anderen fokussieren wir uns auf Subsahara-Afrika, da viele Länder Afrikas besonders von Klimawandelfolgen betroffen sind und gleichzeitig am wenigsten zur Krise beigetragen haben. Dort unterstützen wir lokale Lösungen für eine klimaresiliente Landwirtschaft sowie die Beteiligung von lokalen Gemeinschaften und indigenen Gruppen an politischen Entscheidungsprozessen rund um das Thema Landnutzung und die Sicherung ihrer Landrechte. Gesicherte Nutzungsrechte sind eine zentrale Voraussetzung dafür, um eine zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben.

Und wir wollen Perspektiven aus afrikanischen Kontexten in internationalen Prozessen stärker sichtbar machen, also lokalen Stimmen auf internationaler Ebene Gehör verschaffen.
 

Du hast gesagt, dass wir einen kleinen, aber wichtigen Beitrag zur Einbindung von wenig repräsentierten Stimmen geleistet haben. Teil des Selbstverständnisses unserer Arbeit ist es, direkt vom Klimawandel betroffene Menschen nach ihren Bedarfen und Lösungen zu fragen. Warum glauben wir, dass lokale Lösungen wirksamer sind als wenn sie zum Beispiel von Klimawissenschaftler:innen in Deutschland gemacht würden?

Die globale Klimaforschung ist selbstverständlich unverzichtbar und eine wesentliche Grundlage für unsere Arbeit. Wir brauchen beides: das große Bild und die sehr konkreten, lokalen Lösungsansätze. Wenn es um lokale Kontexte geht, ist es ein Grundsatz der Arbeit der Stiftung, dass wir von denen lernen wollen, die von unserer Arbeit profitieren sollen. Wir haben das Vertrauen in unsere Partner:innen, dass sie am besten wissen, was sie brauchen. Es gibt auch Evidenz vor allem aus der Entwicklungszusammenarbeit, dass Projekte, die ohne Beteiligung lokaler Gruppen entwickelt und dann aus einem internationalen Kontext über die nationalstaatliche Ebene ausgerollt wurden, lokal weniger gut verankert werden konnten, weil die Ownership fehlt, und sie vielleicht auch an Bedarfen vorbeigehen, die ja kontextspezifisch sehr unterschiedlich aussehen können.
 

Wir sind eine große deutsche, mittelgroße europäische und relativ kleine internationale Organisation. Welche Rolle kann die Stiftung vor diesem Hintergrund im Feld der fördernden Institutionen einnehmen?

Wir können eine intermediäre Rolle einnehmen. Wir unterstützen Organisationen finanziell dabei, lokal zu wirken und sich so zu professionalisieren, dass sie sich in einem nächsten Schritt für größere Fonds bewerben können. Intermediär auch im Sinne der Vermittlung zwischen verschiedenen Sektoren und Governance-Ebenen. Als Stiftung sind wir in der Lage, auf der lokalen Ebene zu fördern, auf der nationalen Ebene mit Regierungsvertreter:innen zu sprechen und auch bei internationalen Prozessen als Beobachterin dabei zu sein. Wir können dabei Expertenwissen aus der Praxis von der lokalen Ebene zu anderen Ebenen weitertragen und Beteiligungsformate unterstützen.
 

Wenn wir in die Zukunft schauen, dann wird in der Klimadebatte oft über den „point of no return“ gesprochen, also dem Punkt, nach dem ein Umsteuern uns nicht mehr retten würde. Die Stiftung plant ihre Ziele langfristig auf fünf bis zehn Jahre. Die erforderlichen Veränderungen in unserem Umgang mit dem Klimawandel müssen ebenfalls langfristig gedacht, aber zeitnah angestoßen werden. Welche Meilensteine und Ziele habt ihr euch im Programm Klimawandel für die nächsten Jahre gesetzt?

Mit Blick auf die Europäische Transformationsagenda möchten wir weiterhin einen zivilgesellschaftlichen Beitrag zu der Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik fördern. Das versuchen wir auf einer gesamteuropäischen Ebene, etwa durch die Unterstützung des Landnutzungsprogramms der European Climate Foundation, aber auch in Deutschland durch den Aufbau der Agora Agrar, eines Thinktanks für Landwirtschaft und Ernährung. Dieser organisiert auf Basis vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse Stakeholderprozesse, um verschiedene Interessen zusammenzuführen und gemeinsame Handlungsvorschläge zu erarbeiten und an politische Entscheidungsträger:innen heranzutragen.

In Subsahara-Afrika arbeiten wir derzeit an einer regionalen Fokussierung. Unser Schwerpunkt liegt auf der Förderung lokaler Initiativen, auch, um Finanzierungsmechanismen zu erproben, die Modell für andere Förderer sein können. Außerdem testen wir auch Methoden für Beteiligung, Accountability und Transparenz, etwa mit dem World Resources Institute im Rahmen der großen Restaurationsinitiative „ARF100“ (African Forest Landscape Restoration Initiative), oder in unserer Zusammenarbeit mit Transparency International, wo es um eine transparente und faire Ausgestaltung von Initiativen im Rahmen der „Great Green Wall“ geht.

Darüber hinaus werden wir weiterhin an Schnittstellen zwischen Klimawandel und anderen Themen und Politikfeldern arbeiten. Mit Blick auf Migration als Anpassungsstrategie an den Klimawandel werden wir den Aufbau eines Ökosystems rund um das Thema klimabedingte Migration vorantreiben, um es auf der politischen Agenda zu halten. Auch Fragen nach Klimagerechtigkeit, einer gerechten Transformation und Beteiligung unterrepräsentierter Gruppen, auch in Deutschland, sind für uns zentrale Fragestellungen in den nächsten Jahren.
 

Eine Frage, die bei unserer Arbeit im Bereich Klimawandel nahe liegt, ist unsere Verbindung zum Unternehmen Bosch. Werden wir hierzu auch von Akteur:innen im Feld kritisch gefragt, wie wir zum Unternehmen und zu Nachhaltigkeit stehen?

Ja, und es ist verständlich und richtig, dass unsere Partner wissen wollen, woher das Geld kommt, das wir als Stiftung für unsere gemeinnützigen Zwecke ausgeben dürfen. Die Interessen der Bosch GmbH und die gemeinnützigen Ziele der Stiftung sind klar voneinander getrennt. Eines haben wir aber gemeinsam: Wir sind mit einem Unternehmen verbunden, das sich selbst ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gesetzt hat und sie aktiv umsetzt. Als Stiftung sehen wir es über unsere Fördertätigkeit im Thema Klimawandel hinaus auch als Verpflichtung an, als Organisation selbst nachhaltiger zu werden. 

Ottilie Bälz rund grau

 

Ottilie Bälz leitet im Fördergebiet "Globale Fragen" der Robert Bosch Stiftung die Programme "Klimawandel" und "Migration".

Henry Alt-Haaker rund grau 30p

 

Henry Alt-Haaker leitet den Bereich Strategische Partnerschaften und Robert Bosch Academy der Robert Bosch Stiftung.

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