Mechanismen zur Stärkung der Jugendbeteiligung an klimapolitischen Entscheidungsprozessen

Dezember 2025

„Die Stimme der Jugend kann so tiefgreifend sein. Sie trifft einen hart.“
— Severn Suzuki (2022)

Während meines Richard-von-Weizsäcker-Fellowships an der Robert Bosch Academy (März–August 2025) habe ich untersucht, wie junge Menschen in klimapolitische Entscheidungsprozesse eingebunden sind und wie Institutionen auf dieses Engagement reagieren. Ich danke der Academy für ihre großzügige Unterstützung sowie den zahlreichen Gesprächspartner:innen – Jugendvertreter:innen, politischen Entscheidungsträger:innen, Wissenschaftler:innen und Organisationen –, die ihre Erfahrungen und Einschätzungen mit mir geteilt haben. Die folgenden Überlegungen bündeln die zentralen Erkenntnisse aus diesen Gesprächen.

Rose Ngugi

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IMAGO / ZUMA Press Wire / xGinaxMxRandazzox

March 3, 2023, New York, New York, USA: Student protesters lead a march across the Brooklyn Bridge holding a banner that reads Climate Can t Wait. Youth climate activists and allies gathered in Foley Square before marching across the bridge on the global day of Fridays For Future student led climate strikes. 

Einführung

Öffentliche Politikgestaltung findet in einem komplexen politischen System statt, das von Akteur:innen mit unterschiedlichen Interessen, Einflussmöglichkeiten und Machtpositionen geprägt ist. Zu diesen Akteur:innen gehören auch junge Menschen. Ihr Grad an Beteiligung variiert stark: In manchen Prozessen sind sie sichtbar und gut organisiert, in anderen bleiben sie weitgehend unsichtbar und sind vor allem auf informelle Räume angewiesen, um ihre Anliegen zu artikulieren.

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IMAGO / TT/xJessicaxGow TTx CLIMATE SCHOOL STRIKE

STOCKHOLM 20180822 Greta Thunberg. 15, is seen outside the parliament building in Stockholm, Sweden. Greta is on strike from school to protest against the climate crisis. She intends to strike until the general elections September 9.

Im Jahr 2011 erkannte die UNFCCC YOUNGO als offizielle Kinder- und Jugendvertretung an und schuf damit einen strukturierten Rahmen für junge Menschen im Alter von etwa 15 bis 35 Jahren, um sich an globalen Klimaverhandlungen zu beteiligen. [1] Gleichzeitig haben junge Menschen seit Langem informelle Wege genutzt, um sich Gehör zu verschaffen – von Severn Suzukis eindrucksvoller Rede auf dem UN-Erdgipfel 1992 in Rio [2] bis zur Fridays-for-Future-Bewegung, die durch Greta Thunbergs Schulstreik ausgelöst wurde. Diese Beispiele zeigen, wie formelle und informelle Beteiligungskanäle nebeneinander bestehen und sich mitunter gegenseitig verstärken.

Auf nationaler Ebene wird zunehmend erwartet, dass junge Menschen in die Ausarbeitung der Nationally Determined Contributions (NDCs) und der Nationalen Anpassungspläne (NAPs) einbezogen werden, im Einklang mit Forderungen nach einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz. 

In ihren jüngsten Beiträgen zu UNFCCC-Prozessen betonen junge Menschen, dass ambitionierte Klimapolitik ohne eine strukturierte und substanzielle Jugendbeteiligung nicht erreichbar ist.[3]

In politischen Dokumenten werden junge Menschen häufig auf zwei unterschiedliche Weisen dargestellt: zum einen als besonders vulnerable Gruppe, die stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist, zum anderen als Akteur:innen des Wandels mit innovativen Ideen und großer Energie. Wie politische Entscheidungsträger:innen diese Rollen interpretieren, beeinflusst maßgeblich Tiefe und Qualität der Jugendbeteiligung.

Formelle und informelle Beteiligungsmechanismen

Jugendbeteiligung in der Klimagovernance erfolgt in der Regel über zwei Wege: über formelle Mechanismen, die in politische Entscheidungsstrukturen eingebunden sind, und über informelle Mechanismen wie Mobilisierung, Advocacy und öffentliche Kampagnen. Beide eröffnen Möglichkeiten und bringen zugleich spezifische Herausforderungen mit sich.

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IMAGO / ZUMA Press Wire/ xBiancaxOterox

June 7, 2024, Bonn, Germany, Germany: CATERINA FELICIA BITTENDORF, Plant for the Planet Foundation speaks in a press conference, YOUNGO: Highlighting key demands of children and youth, during the first week of the SB60 conference on Climate Change.

Formelle Mechanismen

Formelle Mechanismen binden junge Menschen in institutionelle Prozesse ein. Die Anerkennung von YOUNGO durch die UNFCCC eröffnete konkrete Möglichkeiten für junge Menschen, in offiziellen Sitzungen zu sprechen, Stellungnahmen einzureichen und Verhandlungen zu beobachten. Jugendbeobachter:innen verhandeln zwar keine Texte, bringen jedoch jugendspezifische Perspektiven in jene Räume ein, in denen Agenda-Setting und Rahmensetzung stattfinden.

Die wirksame Nutzung dieser Plattformen setzt ein gutes Verständnis des politischen Umfelds voraus. Für Jugendvertreter:innen ist es entscheidend, die einzelnen Phasen von Verhandlungen zu kennen, zu erkennen, wo Entscheidungen vorbereitet werden, und die Interessen sowie den Einfluss unterschiedlicher Akteur:innen einschätzen zu können. 

Während der Vorbereitungen auf die COP30 diente das Strategie- und Positionspapier von YOUNGO – formell bei der COP30-Leitung und der Präsidentschafts-Jugendklimabeauftragten eingereicht – als strukturiertes Instrument, um jugendliche Prioritäten mit dem Konferenzprozess zu verknüpfen. [4]

Trotz dieser Fortschritte bestehen weiterhin erhebliche Lücken. Die Präambel des Pariser Klimaabkommens erkennt die generationenübergreifende Gerechtigkeit an, erwähnt junge Menschen jedoch nicht ausdrücklich. Auch nationale Klimastrategien unterscheiden sich deutlich darin, wie sie junge Menschen berücksichtigen. In manchen Fällen werden Jugendliche als eine von mehreren vulnerablen Gruppen aufgeführt, die im Rahmen der Ausarbeitung konsultiert werden; in anderen werden spezifische, auf junge Menschen ausgerichtete Maßnahmen klar benannt. Dort, wo junge Menschen fehlen oder nur am Rande erwähnt werden, besteht die Gefahr, dass ihre Anliegen bei der Umsetzung politischer Entscheidungen eine untergeordnete Rolle spielen.

Informelle Mechanismen

Informelle Mechanismen stellen für junge Menschen häufig die sichtbarsten Instrumente dar. Proteste, Social-Media-Kampagnen und Initiativen zur öffentlichen Sensibilisierung können jugendliche Stimmen rasch ins Zentrum öffentlicher Debatten rücken. Greta Thunbergs Schulstreik, aus dem die globale Fridays-for-Future-Bewegung hervorging, verdeutlichte, wie eine einzelne Handlung eine ganze Generation mobilisieren und den klimapolitischen Diskurs verändern kann.

Gleichzeitig erfordert informelle Organisation Energie, Zeit und Belastbarkeit. Jugendbewegungen sind anfällig für politische Vereinnahmung, Gegenreaktionen und ein Nachlassen der öffentlichen Aufmerksamkeit, insbesondere dann, wenn Mobilisierung nicht dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Viele junge Aktivist:innen schilderten die Schwierigkeit, Studium, Erwerbsarbeit und Aktivismus miteinander zu vereinbaren, zumal ein Großteil des Engagements auf ehrenamtlichen Strukturen beruht.

Auch strategische Klagen haben sich als ein weiterer informeller Weg etabliert. Von Jugendlichen angestoßene Gerichtsverfahren haben Regierungen dazu veranlasst, Klimaziele zu überprüfen, und Fragen der Klimagerechtigkeit in eine breitere öffentliche Debatte eingebracht. Zugleich sind juristische Verfahren langwierig und ihre Ergebnisse ungewiss. Fälle wie Juliana v. United States [5]oder die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz [6] verdeutlichen sowohl das Potenzial rechtlicher Strategien als auch ihre Grenzen als Instrumente schnellen politischen Wandels.

Wahrnehmungen von Jugend

Wie junge Menschen von politischen Entscheidungsträger:innen wahrgenommen werden, prägt maßgeblich ihre Möglichkeiten, sich an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. 

Jugend als vulnerable Gruppe

Viele politische Strategien und Rahmenkonzepte stellen junge Menschen als besonders vulnerabel dar, unter anderem aufgrund ihrer langfristigen Betroffenheit durch Klimafolgen und ihres begrenzten Zugangs zu Ressourcen wie Bildung, Beschäftigung und politischem Einfluss. Junge Menschen greifen diese Perspektive teilweise selbst auf, um Dringlichkeit zu verdeutlichen – etwa, wenn sie auf die Situation niedrig gelegener Inselstaaten aufmerksam machen. [7]

Gleichzeitig kann die Zuschreibung von Vulnerabilität Beteiligung auch einschränken. Junge Menschen, die von wirtschaftlicher Unsicherheit oder Diskriminierung betroffen sind, verfügen häufig nicht über die Zeit, die Fähigkeiten oder die Netzwerke, um politische Debatten aktiv mitzugestalten. In solchen Fällen spielen intermediäre Akteur:innen – zivilgesellschaftliche Organisationen, Gemeinschaftsinitiativen oder Medien – eine zentrale Rolle. Ohne belastbare Daten zu den Lebensrealitäten und Bedürfnissen junger Menschen besteht die Gefahr, dass Beteiligung symbolisch bleibt – eine Form von „Youth Washing“, bei der junge Menschen in Bildern und Reden präsent sind, jedoch nicht in tatsächlichen Entscheidungsprozessen.

 

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IMAGO / ZUMA Press Wire/xElessarxHamilixSarmagox

November 15, 2025, Manila, National Capital Region, Philippines: Progressive green groups trooped to the streets of Manila this Global Day of Action for Climate Justice. Environmentalists highlight recent environmental destruction brought by recent typhoons, denouncing state inaction and gross corruption for worsening the climate crisis. Groups ended with a cultural performance: youth covered in mud, viciously attacking caricatures of Philippine President BONGBONG MARCOS leashed to US President DONALD TRUMP. 

Jugend als Akteur:innen des Wandels

Demgegenüber werden junge Menschen häufig als Akteur:innen des Wandels dargestellt – als Innovator:innen, lokale Führungspersönlichkeiten und Treiber:innen gesellschaftlicher Transformation. Jugendgeleitete Initiativen reichen von lokalen Anpassungsprojekten bis hin zu nationalen Advocacy-Kampagnen und globaler Koordination im Rahmen der UNFCCC. Ihre Bereitschaft, etablierte Praktiken infrage zu stellen, kann neue Impulse in die Klimagovernance einbringen.

Die Zuschreibung als Akteur:innen des Wandels führt jedoch nicht automatisch zu politischem Einfluss. Viele Jugendinitiativen stützen sich auf ehrenamtliche Strukturen, die häufig überlastet und unterfinanziert sind. Der Zugang zu Mentoring, institutionellen Verbündeten und geeigneten Räumen entscheidet oft darüber, ob Ideen auf der Ebene von Vorschlägen verbleiben oder sich zu nachhaltigen Programmen entwickeln. Die wirkungsvollsten Beispiele während des Fellowships waren jene, in denen Institutionen junge Menschen als gleichwertige Partner behandelten und Verantwortung, Ressourcen und Rechenschaft teilten.

Eine ausgewogene Verbindung dieser beiden Perspektiven – die Anerkennung struktureller Verwundbarkeiten bei gleichzeitiger Stärkung jugendlicher Handlungsmacht – ist zentral für politische Ansätze, die junge Menschen sowohl schützen als auch befähigen.

 

Wege zur Stärkung der Jugendbeteiligung

Trotz der bestehenden Herausforderungen lassen sich klare Ansatzpunkte identifizieren, um die Rolle junger Menschen in politischen Entscheidungsprozessen zu stärken. Wie es in einer Stellungnahme von YOUNGO in Anlehnung an Nelson Mandela heißt: „Es scheint immer unmöglich, bis es getan ist.“ [8]

  1. Durchlässige Beteiligungsräume schaffen
    Die Anerkennung junger Menschen als eigenständige Gruppe ist ein wichtiger Schritt. Damit Beteiligung wirksam wird, müssen formelle Strukturen jugendgerecht, zugänglich und mit lokalen Gemeinschaftsnetzwerken verknüpft sein. Ebenso wichtig ist die Unterstützung informeller Beteiligungsformen durch sichere Räume, Ressourcen und Kontinuität.
  2. Kompetenzen für Beteiligung stärken
    Wirksame Beteiligung setzt ein Verständnis politischer Entscheidungsprozesse voraus. Junge Menschen profitieren davon, Verhandlungsabläufe kennenzulernen, die Rollen unterschiedlicher Akteur:innen zu verstehen und Zeitpunkte strategischer Intervention zu erkennen.
  3. Zugehörigkeit durch Wertschöpfung fördern
    Junge Menschen engagieren sich nachhaltig, wenn sie erfahren, dass ihre Beiträge Wirkung entfalten. Politische Maßnahmen sollten ehrenamtliches Engagement anerkennen und junge Menschen mit praktischen Ressourcen unterstützen, die es ermöglichen, ihre Ideen weiterzuentwickeln.
  4. Wahrnehmungen durch gezieltes Handeln ausbalancieren
    Junge Menschen möchten ernsthaft einbezogen werden. Politische Entscheidungsträger:innen können jugendgeleitete Initiativen priorisieren und partizipative Dialogformate stärken. Wo jugendliche Perspektiven politische Entscheidungen prägen, wird Beteiligung glaubwürdig und nachhaltig.

Fazit

Politikgestaltung ist ein dynamischer und komplexer Prozess, an dem Akteur:innen mit unterschiedlichen Interessen, Einflussmöglichkeiten und Machtpositionen beteiligt sind. Junge Menschen fordern zunehmend nicht nur einen Platz am Tisch politischer Entscheidungsprozesse, sondern auch reale Möglichkeiten, Entscheidungen mitzugestalten, die ihre Zukunft betreffen. Ihr Engagement wird sowohl von den verfügbaren Beteiligungsmechanismen als auch von der institutionellen Wahrnehmung ihrer Rolle beeinflusst.

Eine Stärkung der Jugendbeteiligung erfordert Anstrengungen auf beiden Seiten. Politische Entscheidungsträger:innen müssen Beteiligungsformate schaffen, die offen, zugänglich und anschlussfähig sind. Zugleich sind junge Menschen gefordert, ihre Kompetenzen weiter auszubauen und politische Prozesse zu navigieren. Die Erfahrungen aus meinem Fellowship zeigen, dass eine substanzielle Einbindung junger Menschen keine symbolische Geste ist, sondern zentral für die Qualität demokratischer Governance.